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Mit den Stadtführern durch die (Heimat)Stadt

 

Über Tore, Bräuche, Grusel und Dolce Vita

Das Mittertor. Klar, das verbindet den Max-Josefs-Platz mit dem Ludwigsplatz. Dann gäbe es noch das Münchener Tor, das Wiesentor, das Heilig-Geist-Tor, das Färbertor und das Inntor. Gäbe, weil all diese Tore abgerissen wurden. Dennoch sind sie ein nicht ganz unwichtiger Teil der Rosenheimer Geschichte, wie beispielsweise bei den Nachtwächter-Stadtführungen erklärt wird. Stefan Kürschner ist einer der vielen Rosenheimer Stadtführer und rosenheim.jetzt hat ihn getroffen.

Herr Kürschner, warum sind die Stadtführungen in und durch Rosenheim sowohl etwas für Touristen als auch für Einheimische?

Für Touristen ist es die Erkundung einer neuen Stadt mit viel Charme und interessanten Details. Genau richtig für einen gemütlichen Ausflug in der Kombination mit Stadtführung, gutem Essen und Trinken und natürlich einem Einkauf. Rosenheim ist eine Einkaufsstadt! Das Ganze sympathisch verpackt in eine Stadtführung, die einen weder zeitlich noch räumlich überfordert. Das ist der große Pluspunkt von Rosenheim – kompakte Innenstadt mit allem was man so braucht und sich wünscht in historischem Gewand.

Und für Einheimische ist es oftmals eine Reise in die eigene Vergangenheit. Oft sind die Teilnehmer waschechte Rosenheimer, die bei einer Führung Historie mit Gegenwart vergleichen. Dazu kommen die eigenen Lebenserfahrungen aus der Stadt und so eine Stadtführung kann auch eine eine Auffrischung des „beliebten“ Heimat- und Sachkundeunterrichtes aus der Schulzeit sein. „Mei, des haben wir alles mal gelernt, aber gewusst hab ich’s nimmer!“ Der Spruch kommt oft vor bei Rosenheimer Teilnehmern. Und dann schlägt sich oft ein Bogen durch die jüngere Vergangenheit bei dem sogar wir Stadtführer noch was lernen können.

Bis zum Jahresende stehen neben den Rosenheim-Cops-Führungen noch Themen wie „Unheimliche Geschichten“ oder „Von Martini bis Dreikönig“ an. Um was geht es da?

Wenn´s dunkel wird in Rosenheim, dann kann´s ganz schön unheimlich werden. Spuk beim Zahnarzt, der Hellseher Bruno Gröning, die Lepra- und Siechenhäuser usw…. Da kommt die eine oder andere unheimliche Geschichte zum Vorschein, wenn die Kolleginnen mit der Petroleumlampe durch das nächtliche Rosenheim führen.

Von Martini bis Dreikönig ist eine neue Themenführung. Da geht es um die christlichen und heidnischen Bräuche über den Jahreswechsel. Von Heiligen, den Perchten und den Rauhnächten und Brauchtum in der Advents- und Weihnachtszeit. Die heutigen Bräuche haben ja oft einen heidnischen Hintergrund mit einer gewissen Bedeutung aus lang vergangenen Zeiten.

Welche Führungen sind denn im kommenden Jahr geplant und werden auch neue dazukommen?

Zunächst sind die Klassiker wieder am Start – „Im Herzen der Altstadt“ und natürlich „Auf den Spuren der Rosenheim Cops“. Dann planen wir wieder interessante Themenführungen die sich das ganze Jahr über abwechseln. Von „Wer ko der ko“ bis zu „Rosenheim und die Liebe“ ist alles mit dabei. Für 2023 planen wir auch wieder kulinarische Führungen, die leider wegen Corona die letzten beiden Jahre ausfallen mussten. Neue Themen sind zum Beispiel die Seelenwärmertour mit vielen verschwundenen Bräuchen aus Rosenheim und seinem Umland oder eine Führung mit dem vielversprechenden Arbeitstitel „Dolce vita bavarese“ – da lässt sich schon was erahnen. Wir hoffen auch, dass wir die „Rosenheim und a süße Sünd“ wieder auflegen können, dazu muss aber erst das Traditionscafé Weth wieder aufmachen.

Daran sieht man auch, dass Stadtführungen nicht nur mit der Vergangenheit zu tun haben, sondern immer mit der Zeit und der städtischen Entwicklung mitgehen. Wir arbeiten gerne mit den Gasthäusern und Cafes zusammen und auch der Einzelhandel ist für uns wichtig, wie beispielsweise dieses Jahr bei der Schnitzeljagd zu „20 Jahre Rosenheim Cops“ zu sehen war.

Herr Kürschner, was ist Ihre Lieblingsgeschichte über Rosenheim?

Da geht es darum, wie selbstständig die Märkte und Städte im Mittelalter zum Teil waren und wie selbstsicher sie auch aufgetreten sind. Wie in der Geschichte vom Pfleger:

Es gab des Öfteren Reibereien zwischen dem Pfleger (quasi dem Landrichter der Herzöge von Bayern) und dem Rat des Marktes. Der Pfleger musste, um im Markt Recht zu sprechen, um Erlaubnis fragen, ob er das Rathaus nutzen darf. Das verweigerten ihm die Rosenheimer regelmäßig, sodass sich im Jahr 1514 ein Pfleger beim Herzog beschwerte. Er sei gezwungen das Landrecht winters wie sommers bei Regen und Schnee auf dem Platze des Marktes unter einem Gewölbe an einem übelschmeckenden Orte abzusitzen. Daraufhin fragte der Herzog in Rosenheim nach warum dem so sei, der Pfleger sei schließlich sein Stellvertreter und damit ins Rathaus zu lassen! Die Rosenheimer allerdings gaben an, dass sie das Rathaus ohne Zuschuss des Herzogs errichtet hätten und dadurch auch das alleinige Verfügungsrecht über selbiges hätten. Der Pfleger dürfe dort nicht sein. Punkt und aus! Das musste der Herzig akzeptieren. Man stelle sich vor die Stadt würde dem heutigen Ministerpräsidenten…

 

Dann gäbe es wohl kein Selfie aus dem Rosenheimer Rathaus. Vielen Dank, Herr Kürschner! Alles zu den Stadtführungen gibt’s unter https://rosenheim.jetzt/touristinfo/stadtfuehrungen.