Stadtblick: Die Stadtgärtnerei
Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohl bekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Was Eduard Mörike in seinem Gedicht aus dem Jahr 1829 so schön beschrieben hat, wird in Rosenheim von der Stadtgärtnerei umgesetzt. Die sitzt heute in Langenpfunzen. Zur Entstehung des mörikschen Gedichts, da war an eine Stadtgärtnerei noch nicht zu denken. Aber 54 Jahre später wurde die Grundlage für das heutige Stadtgrün geschaffen.
1883 beauftragten die beiden städtischen Kollegien einen Gärtner mit dem Aufbau einer Baumschule und der Pflege der Grünanlagen im Besitz der Stadtgemeinde. Als Gelände für die Gärtnerei wählte man einen Standort an der äußeren Rathausstraße am Rande der so genannten Gabriel-Wiese. Ab 1893 baute der neue Stadtgartenmeister Karl Stange den Betrieb weiter aus. In der Stadtgärtnerei konnten auch private Gartenbesitzer Pflanzen beziehen, was die gewerblichen Gärtner Rosenheims immer wieder zu Beschwerden veranlasste. Aufgrund der zahlreichen im 19. Jahrhundert entstandenen Alleen und Anlagen hatten die Mitarbeiter der Stadtgärtnerei um 1900 ein breites Betätigungsfeld. Der „Rosenheimer Anzeiger“ schrieb 1907, Besucher der Stadt hätten „das Gefühl, in einer Art von Gartenstadt zu sein“.
Aus Anlass des 50jährigen Bestehens im Juni 1933 ließ der damalige Stadtgartenmeister Wilhelm Schneider vor dem Betriebsgelände Blumenrabatten mit einer großen „50“ anlegen und stellte Kakteen aus. Nachdem die Stadtgärtnerei
bei Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt worden war, stellte man die Glashäuser zunächst nur notdürftig wieder her. Wegen der schlechten Versorgungslage nach dem Krieg wurde auf dem Freigelände statt Blumen und
Ziersträuchern vorübergehend Gemüse gezogen.
Mit dem Beginn der 1950er Jahre rückte wieder die Stadtbildpflege in den Vordergrund. 1951 betreuten Stadtgartenmeister Alois Färber und seine 14 Kollegen 35 Kilometer Alleen und 24 Hektar Grünanlagen. Rund 24.000 Blumen pflanzten die Gärtner im Frühjahr 1951, u. a. vor dem Humanistischen Gymnasium, im Rieder- und im Salingarten, in den Krankenhausgärten und im Kaiserbadpark. In den 1950er Jahren standen die Gewächshäuser auch am Wochenende für Besucher offen.
1967 beschloss der Rosenheimer Stadtrat, die Stadtgärtnerei im Zuge von Sparmaßnahmen deutlich zu verkleinern, auf ein stadteigenes Grundstück in der Gemeinde Westerndorf St. Peter zu verlegen und den gewerblichen Pflanzenhandel einzustellen. Das bisherige Grundstück veräußerte die Stadt an eine Wohnbaugesellschaft, die hier mehrere Wohnblöcke errichten ließ. Auf einem Teil er Fläche entstand die Innsbrucker Straße als neue Verbindung der Innenstadt in Richtung Süden. Ende 1968 konnte die neue Stadtgärtnerei in der Nähe von Langenpfunzen ihren Betrieb aufnehmen.
Text: Karl Mair
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2019/7